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Tag der Besinnung

 


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8. Mai – Tag der Besinnung
Anmerkungen zum 61. Jahrestag des Kriegsendes

Von Generalmajor a. D. Gerd-H. Komossa

Sechzig Jahre lang haben wir den 8. Mai als den Tag der Kapitulation der Wehrmacht sowie des Endes des Krieges und des „Dritten Reiches“ gewürdigt. Wir haben ihn begangen als einen Tag der Erinnerung, dem für jeden einzelnen ein anderes Erlebnis, meist ein sehr schlimmes, zugrunde lag, als einen Tag der Besinnung und des Nachdenkens. Auch in diesem Jahr war es so.

Die Art, wie einige Politiker und Publizisten uns aber immer noch nahelegen, diesen Tag ausschließlich als Tag der Befreiung zu feiern, hat etwas Bedrückendes in sich. Es ist dies der Versuch einer massiven Beeinflussung der Meinung des einzelnen. Man dürfe auf keinen Fall aufrechnen, heißt es, und mahnt uns, Ursache und Folgen nicht miteinander zu verwechseln, als wenn jegliche Schuld in diesem mörderischen Weltkrieg allein uns Deutschen anzurechnen sei! Als wenn nicht auch, wie Ronald Reagan erkannte, die schlimmen Entwicklungen in Europa in den letzten Jahrzehnten die Folgen eines ungerechten Friedens nach dem Ersten Weltkrieg waren. Hitler wäre uns ohne Versailles erspart geblieben.

Ganz massiv werden uns Anregungen angeboten, was wir an diesem Tag zu denken haben. Und dies geschieht im Sinne eines geistigen Absolutheitsanspruchs, den 8. Mai als Tag der Befreiung zu feiern. Man spricht von Freiheit und Befreiung und unterdrückt zugleich die Freiheit des anderen, eine eigene Meinung zu haben.

Welche Gedanken aber bewegen die Deutschen wirklich an diesem Tage? Vor allem jene, die den Tag bewußt erlebt haben. Die Betroffenen. Um der geschichtlichen Wahrheit willen wird zusätzlich die Frage zu beantworten sein, wie die damaligen Kriegsgegner diesen Tag verstanden und welche Kriegsziele sie verfolgten. Ging es ihnen nur um die Befreiung des deutschen Volkes? Dann hätten sie sich nicht als Besatzer benehmen müssen. Von den Protokollen der Konferenzen von Teheran bis Jalta – durch Potsdam bestätigt – läßt sich als Kriegsziel der Alliierten allein belegen die Zerschlagung des Deutschen Reiches und nicht die Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus. Dem entsprach auch das Verhalten der Sieger mit Nonfraternisierung, Vertreibung, Raub und Demontage von Industrieanlagen bis in die 50er Jahre. In Casablanca wurde 1943 in der Besatzungsdirektive JCS 10678 festgelegt: „Deutschland wird nicht besetzt, um befreit zu werden, sondern als eine besiegte Feindnation.“ In einem Bericht von April 1945 ist zu lesen: „Die militärischen Fähigkeiten des Feindes sind in der Tat gleich Null.“ Trotzdem wurden im April 1945 noch 600000 deutsche Zivilisten durch Bomben getötet.

Die Leiden unseres Volkes – vor allem nach Beendigung des Krieges – sind nicht Ausdruck des Willens der Sieger, das deutsche Volk vom Faschismus zu befreien. Warum haben sie nicht mit Kriegsende eine demokratische Regierung zugelassen, sondern das Land mit Militärregierungen regiert? Demokraten wie Adenauer, Heuss, Schumacher und viele andere standen doch für den demokratischen Aufbau zur Verfügung. Waum wurden die in den Ostgebieten verbliebenen Zivilisten unter unmenschlichen Bedingungen vertrieben? Warum wurden Frauen und Kinder in Lager verschleppt? Warum mußten Millionen von Deutschen in Kriegsgefangenlagern leiden? Entgegen dem Völkerrecht! Warum haben auch die Amerikaner in den Rheinwiesen 200000 und mehr deutsche Soldaten vor Witterung ungeschützt über Wochen vegetieren lassen.

Die US-Proklamation Nr. 1 bestimmte: „Es soll keine politische Betätigung irgendwelcher Art geduldet werden.“ Vom Morgenthau-Plan ganz zu schweigen. Oder der Feindstaatenklausel der UN vom Sommer 1945! Die Besetzung der Ukraine, Weißrußlands und Rußlands wurde von den Befreiern Okkupation genannt. Warum aber müssen wir Vertreibung und Raub von einem Viertel unseres Landes mit unschätzbaren Kulturwerten als Befreiung bezeichnen? Warum haben die Engländer soviel Industrieeinrichtungen wie möglich demontiert? Warum sogar das Eisengeländer der Bonner Rheinbrücke abmontiert und nach London geschafft? Warum wurden unsere Museen ausgeraubt? Die Klaviere und anderer Privatbesitz nach Osten verschleppt? Warum haben französische Truppen in Freudenstadt und Freiburg gewütet und geplündert? Auf diese Fragen sind uns Politiker eine Antwort schuldig geblieben.

Wie war es wirklich am 8. Mai 1945? Wie erlebte einer von Millionen Betroffenen im Alter von 20 Jahren die langen Stunden dieses Tages?

Wir lagen mit unserm Regiment in den Stellungen ostwärts von Danzig. Vor wenigen Tagen noch hatte der Gegner massiv angegriffen, nachdem ein Überläufer unsere Stellungen verraten hatte. Wir hatten die Angriffe unter Verlusten abgewehrt. Der 8. Mai war so ein ganz normaler Tag. Die russische Artillerie schoß, wir konnten das Feuer nicht wirksam mit Artillerie erwidern, das Maschinengewehr war zur Hauptkampfwaffe geworden. In den Abendstunden erhielten wir den Befehl, die Stellungen zu räumen und uns auf eine Bunkerlinie im Weichseldamm zurückzuziehen. Ich begleitete meinen Kommandeur in den Bunker des Kommandeurs unseres Coleur-Regiments, um uns von diesem zu verabschieden. Dort erst erfuhren wir, daß die Wehrmacht kapituliert hatte und um Mitternacht der Kampf einzustellen war. Die Stimmung war gedrückt, verzweifelt und voll Ungewißheit über unser Schicksal.

Wir marschierten durch die Nacht auf die Bunker im Weichseldamm zu. Es war gegen drei Uhr, die Kapitulation also seit drei Stunden in Kraft, da griffen russische Schlachtflieger zum letzten Mal an. Die Gefallenen blieben am Wegrand liegen. Gefallen am

9. Mai 1945, einen Tag nach Beendigung des Krieges. Wenig später saßen wir im Bunker und ordneten unsere Papiere. Wir verbrannten Dokumente, zerrissen Briefe und behielten nur wenige Fotos von der Familie. Mein Soldbuch versteckte ich am Körper.

Und dann kamen die Russen. Wie übermütige Kinder ritten sie daher auf ihren kleinen, struppigen Pferden. Sie ritten auf uns zu, an uns vorbei, um uns herum, im Kreise wie im Zirkus. Sie schossen mit ihren Karabinern und MPs in die Luft. Und immer wieder riefen sie „Hitler kaputt, Wojna kaputt“. Und sie schossen und ritten und riefen es immer wieder: Der Krieg ist aus! „Wir haben gesiegt!“ „Sieg!“ riefen sie. Immer wieder „Pobjeda“. „Sieg!“ Das Wort Freiheit hörte ich auf Russisch nicht.

Wir warfen unsere Waffen weg und begannen, uns zu sammeln. Das ging nahezu automatisch vor sich, ohne jeden Befehl. Wir sammelten uns, wie es verängstige Pferde auf der Koppel bei Gewitter tun. Dann kam ein russischer Offizier. Anders als seine Soldaten in verschmutzten erdbraunen Uniformen trug er eine elegante Uniform aus bestem Tuch. Welch ein Gegensatz! Als unser Kommandeur die Hand zum Gruß erhob, kam der Offizier auf unsere kleine Gruppe zugeritten. Es war ein Major, erkannte ich. Der Major rief seinen Soldaten kurze Befehle zu, die sich darauf sammelten. Ein Dolmetscher übermittelte uns den Befehl, alle Waffen niederzulegen und in Marschordnung anzutreten. Wir taten dies, ohne zu sprechen, fast lautlos.

Die Ungewißheit des eigenen Schicksals war eine seelische Last, die ich körperlich zu spüren glaubte. Ich sah die Russen und sah an ihnen vorbei. Ich dachte an die Kämpfe der letzten Monate, an das Leiden, an die grauenhaften Bilder des Krieges, den von Panzern überrollten Flüchtlingstreck aus Ostpreußen, den zerschossenen Lazarettzug und an mein Gespräch mit einem ukrainischen Müller über Gott und den Glauben. War das Ganze, was nun geschah, nicht doch vielleicht nur ein Traum? Aber die Russen waren da, sie waren die Wirklichkeit.

Sie hatten gesiegt! Und wir hatten den Krieg verloren. Wir werden nun allein die Schuldigen sein, dachte ich. Doch waren die Gegner in diesem Krieg immer anders als jene, die in deutschen Uniformen Schuld auf sich geladen hatten? Man dürfe nicht aufrechnen und nicht vergleichen, heißt es heute. In der Tat läßt sich nicht alles gleichsetzen. Aber der Pilot, der über Dresden, Berlin, Dortmund, Hamburg, Würzburg, Köln und Königsberg noch im April 1945 seine Bomben abwarf, wissend, daß das Ende des Krieges kurz bevorstand und daß er wehrlose Frauen, Greise und Kinder mit seinen Bomben töten würde, war er von einer anderen Art? Vertreter eines humaneren Systems? Tötete er aus einer höheren Moral heraus? Wer wagt die Antwort zu geben, die einmal vor der Geschichte Bestand hat?

Wir bildeten eine große Marschkolonne. Plötzlich kam ein Befehl: Die Offiziere nach vorn! Soldaten meiner Einheit hielten mich fest: „Gehen Sie nicht, Herr Leutnant, die knallen Sie doch ab.“ Doch ich wollte mich nicht verstecken, wie ich vorher auch meine Truppe nicht mit einem Schnellboot der Marine verlassen wollte. Ich wollte nicht feige sein. An der Spitze der Kolonne angekommen, mußten sich alle Offiziere auf die Erde setzen. Danach wurden uns Ringe und Armbanduhren abgenommen, die Lederstiefel ausgezogen. Der russische Soldat, der meine Stiefel anzog, warf mir ein Paar Gummistiefel zu. Immerhin!

Am Stadtrand von Danzig dann erneut ein Befehl des sowjetischen Majors: „Singen!“ Wir wollten es nicht glauben. „Singen!“ befahl der Russe noch einmal. Und wir sangen. Die geschlagene Armee marschierte singend nach Danzig hinein. „Auf der Heide blüht ein kleines Blümelein“ sangen wir, „Wir lagen vor Madagaskar“ und „Schwarzbraun ist die Haselnuß“ und dann wohl auch andere Lieder, das Panzerlied und „Rot scheint die Sonne“. So marschierten wir, die Soldaten einer geschlagenen Armee, in das überwiegend in den letzten Kriegstagen von englischen Bombern zerstörte Danzig. Im Gleichschritt.

Dann kamen aus den Trümmern die ersten Frauen. Sie liefen auf uns zu, neben uns her. Sie ließen sich von der Wachmannschaft nicht zurückstoßen. Und sie erzählten von ihren Leiden. Sie fragten nach ihren Männern. Sie berichteten über Vergewaltigungen. Frauen, ganz junge Mädchen, alte Großmütter. Sie schienen ohne Scham. Das Singen brach ab. Wir waren am Ende.

Ein Wachmann stieß meinem Nebenmann mit dem Gewehrkolben in die Seite. „Du, wo zu Hause?“ fragte der Russe. „Allenstein“, sagte der Kamerad. „Allenstein“, wiederholte der Russe, „ich in Allenstein mit Deiner Frau schlafen, ich ihr Kinder machen.“ Die Ohnmacht des Gefangenen konnte nicht krasser zum Ausdruck kommen.

Nach langem Marsch erreichten wir eine unzerstörte Schule. Dort und in angrenzenden Gebäuden wurden wir zunächst untergebracht, 20 bis 40 Soldaten in einem Raum. Verpflegung gab es nicht. Auch kein Getränk.

Die ganze Nacht wurden wir von Polit-Offizieren vernommen. Die ersten Fragebögen mußten ausgefüllt werden, und die letzten Wertsachen wurden uns abgenommen. Nur Geld interessierte die Russen nicht. „Skoro domoij“, sagten die russischen Offiziere. Bald nach Hause! Und das war die erste Lüge, der vier lange Jahre weitere Lügen folgten sollten. Bald nach Hause!

Den Rest der Nacht verbrachte ich damit, in die Soldbücher aller Soldaten unsere Abteilung den Vermerk einzutragen „Ist Angehöriger der Kapitulationsarmee.“ Ein russischer Offizier achtete sehr darauf, daß jeder Vermerk mit dem Dienstsiegel unseres Verbandes abgestempelt wurde, da nur dann die Sicherheit bestand, wie er sagte, schnell nach Deutschland entlassen zu werden. „Skoro domoij“. Wer wollte da an Flucht denken, wo wir doch schon morgen, wie es hieß, nach Deutsch Eylau marschieren sollten, um von dort aus entlassen zu werden! Doch Deutsch Eylau wurde lediglich zur zweiten Station einer langen Gefangenschaft auf ostpreußischem Boden. In den Stallungen des Trakehner-Gestüts in Georgenburg, 40 Mann in einer Box, und in Tilsit.

Unsere Jugend muß dies so Erlebte wissen, um sich selbst ein Urteil zu bilden. Ein eigenes. Unbeeinflußt. Und – unsere Jugend darf nicht belastet werden mit einer geistigen oder moralischen Hypothek, die sie selbst nicht aufgenommen hat. Denn persönliche Schuld ist nicht vererbbar.

Quelle:
Preußische Allgemeine Zeitung Ausgabe 19/06 vom 13.05.2006

 

 

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