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Zwischen Anspruch und brutaler Praxis

Ein leidenschaftliches Plädoyer gegen Umsiedlungen und Vertreibungen
Rezensiert von Mathias Beer

Die bislang vorliegende Literatur zur Geschichte der Flucht ist umfangreich und unübersichtlich. R. M. Douglas fügt dem nun ein Werk hinzu, das nicht beschreibt oder dokumentiert, sondern Fluchtbewegungen unter politischen und völkerrechtlichen Gesichtspunkten diskutiert.

Allein schon die wissenschaftliche Literatur ist kaum noch zu überblicken. Hinzu kommen die intensiven und kontroversen öffentlichen Diskussionen über Umsiedlung, Flucht und Vertreibung von rund 12,5 Millionen Bürgern des Deutschen Reiches und Angehöriger deutscher Minderheiten in Ostmitteleuropa während und am Ende des Zweiten Weltkriegs. Diese Diskussionen durchziehen die gesamte Geschichte der Bundesrepublik wie ein roter Faden und haben seit einem guten Jahrzehnt wieder Konjunktur.

Daher drängt sich die Frage geradezu auf: Kann eine Studie zu diesem Thema Neues bieten? Das Buch des Historikers Ray M. Douglas, der an der Colgate University in Hamilton im Bundesstaat New York lehrt, lässt keinen Zweifel daran. Abgesehen davon, dass Geschichte immer wieder neu geschrieben wird, sich also der Blick auf die Vergangenheit durch die jeweilige Gegenwart verändert, bietet das Buch eine etwas andere Sichtweise auf die Ereignisse. Lediglich vier Aspekte sollen hervorgehoben werden.

Es ist erstens ein Blick von Außen auf die, wie Douglas immer wieder betont, in der Geschichte beispiellose "Vertreibung der Deutschen".

Das pointiert, zuweilen spitz argumentierende Buch ist nicht nur aus einer angelsächsische Perspektive geschrieben. Es hat auch in erster Linie ein englischsprachiges Publikum im Blick.

Während die Geschichte der Vertreibungen in Deutschland zu wenig bekannt ist, kann man für den Rest der Welt ohne Übertreibungen sagen, dass sie bis heute das am besten gehütete Geheimnis des Zweiten Weltkriegs ist. Die Dimension einer Abwesenheit statt einer Präsenz zu bestimmen, ist natürlich problematisch, dennoch kann man nahezu sicher sein, dass an westeuropäischen und nordamerikanischen Universitäten die überwiegende Mehrheit der Studenten selbst in Fächern wie Neuerer Geschichte Europas, Internationale Beziehungen und Politologie ihr Studium abschließt, ohne je etwas von der schlimmsten menschengemachten Katastrophe gehört zu haben, die den Kontinent nach 1945 traf und den blutigen Zerfall Jugoslawiens in den neunziger Jahren weit übertrifft."

Zu diesem Blick von außen, für den vor allem die englischsprachige und (leider) weniger die deutsche Forschungsliteratur herangezogen wird, gehört, dass Ray M. Douglas ganz bewusst auf deutsche Quellen verzichtet. Die Tausenden von Zeitzeugenberichten verwendet er nicht, von denen ein Teil in der "Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa" veröffentlicht wurden, die zwischen 1953 und 1962 erschienen ist.

Er will so von vornherein einem üblichen Einwand begegnen: Dass Opfer immer dazu neigen, ihre eigenen Erfahrungen zu übertreiben. Doch auch ohne diese Berichte liefert Douglas eine "dichte Beschreibung" von Elend, Hunger, Erniedrigung, Entwürdigung und Tod, welche die Vertreibungen der Deutschen auszeichnen. Es sind in gutem Sinn Erzählungen, die unter die Haut gehen. Sie bestätigen die erwähnte Dokumentation nicht nur, sondern stellen diese in ihrer Drastik in den Schatten.

Zu der anderen, neuen Sichtweise des gut lesbaren Buches zählt, zweitens, der klassische Zugang, den Douglas gewählt hat. Ihn interessiert weniger, wie an Flucht und Vertreibung erinnert wurde. Für ihn stehen vielmehr die Ereignisse im Mittelpunkt, für die die Chiffre "Flucht und Vertreibung" steht. Sein Buch versteht er als einen Baustein für eine Gesamtgeschichte der Vertreibungen, die er zu Recht als ein Desiderat der Forschung sieht.

Ray M. Douglas will die Lücken im Wissen über den Ablauf der Vertreibungen schließen. Denn im Unwissen unter den Historikern und in der Öffentlichkeit, wie er übertreibend formuliert, sieht er eine wesentliche Ursache für den schwierigen Umgang mit der Geschichte der Vertreibungen.

Er stützt sich auf eine breite Quellengrundlage. Dabei sind insbesondere die bisher nicht ausgewerteten Bestände des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, aber auch Schriftgut anderer Nichtregierungsorganisationen, westlicher Diplomaten und Funktionsträger, Journalisten sowie jene aus einer Reihe von Archiven ostmitteleuropäischer Staaten hervorzuheben.

Sein Augenmerk liegt dabei, anders als beim Gros der einschlägigen Studien, insbesondere auf den Volksdeutschen, also den deutschen Minderheiten außerhalb der Reichgrenzen in der Tschechoslowakei, in Ungarn, Jugoslawien und Rumänien. Dabei lässt Douglas offen, ob die Volksdeutschen als Täter, Opfer oder bloß Zuschauer des Nationalsozialismus anzusehen sind. Jedenfalls liegt ihm an einer Rehabilitierung der deutschen Minderheiten, die seiner Ansicht nach immer nur als "Fünfte Kolonne" angesehen worden seien.

Auf dieser Grundlage entwirft Douglas in 13 Kapiteln ein breites Panorama von Flucht und Vertreibung der Deutschen. Es reicht von den Planungen, von der Rolle des tschechoslowakischen Präsidenten Edvard Beneš, die er sicher überzeichnet, über die "Heim ins Reich-Umsiedlungen", die Haltung der Alliierten, die "wilden" und die organisierten Vertreibungen bis hin zu den internationalen Reaktionen sowie dem Neubeginn in den vier Besatzungszonen und in den beiden deutschen Staaten.

Die Zahl der aufzunehmenden Vertriebenen entsprach, wie die New York Times am 16. Dezember 1945 meldete, der Gesamtzahl der Einwanderer in die USA in den letzten 40. Jahren. Dennoch hatten die Alliierten keine Vorbereitungen getroffen. "Make the Germans do it", war der Grundsatz, dem sie folgten.

Der Schwerpunkt des Buches liegt auf der Durchführung der Massenvertreibungen, die mit einem eigenen Kapitel über die Erfahrungen von Kindern ebenso detailliert geschildert werden, wie der Archipel von Konzentrations-. Internierungs- und Sammellagern. In den Worten des US-Diplomaten Robert Murphy:

"Wenn man das Leiden und die Verzweifelung dieser Elenden sieht, wenn man sie in ihrem ungewaschenen Zustand riecht, denkt man sofort an Dachau und Buchenwald zurück. Hier ist die Vergeltung im großen Ausmaß, aber nicht an den Parteibonzen, sondern an Frauen und Kindern, Armen und Kranken. Die Mehrheit sind Kinder und Frauen. Unsere Psychologie passt sich irgendwie der Idee an, dass Leiden zur Existenz der Soldaten gehört. Diese Psychologie verliert etwas von ihrer Überzeugungskraft, wenn man diese sinnlose Tragödie sieht, die jetzt Tausende unschuldige Kinder, Frauen und alte Menschen trifft."

Er ist nicht der einzige Zeitzeuge, der Verbindungen zur menschenverachtenden nationalsozialistischen Politik herstellt. Doch Ray M. Douglas lässt bei allen Parallelen, die auch er zieht, keinen Zweifel am fundamentalen Unterschied: Die NS-Lager waren das Ergebnis eines systematischen Massenmordprogramms. Gerade deshalb plädiert er mit Nachdruck dafür, auch für den im Schatten des ersten deutschen Untergangs stehenden zweiten Untergang eine angemessene Sprache zu finden und dieser auch zu öffentlichem Gehör zu verhelfen.

Zu der ganz eigenen Sichtweise des Buches zählt, drittens, dass es nachdrücklich auf die aktive Rolle der westlichen Alliierten verweist und damit auf deren Verantwortung für die Ausweisung der deutschen Bevölkerung. Douglas spielt bewusst schon im Buchtitel auf den Artikel XIII des Potsdamer Abkommens an, in dem die "ordnungsgemäße Überführung" festgeschrieben wurde, und zeigt die Kluft zwischen dem Anspruch der Alliierten und der brutalen Praxis der Vertreibung auf.

"Letzten Endes wurde das Schicksal der Volksdeutschen und der Deutschen im Allgemeinen aber nicht von ihren unmittelbaren Nachbarn bestimmt, sondern von den Großmächten. Sie waren es, nicht Polen oder die Tschechoslowakei, die die Achsenmächte besiegt hatten. Ihre Befreiungs- oder Besatzungsarmeen würden die strategische politische und demographische Zukunft des europäischen Kontinents bestimmen. Obwohl es ihnen gelegentlich nützlich erschien, ihre Entscheidung so dazustellen, als seien sie von der Volksmeinung vor Ort diktiert worden, wurde in Wirklichkeit in den von ihnen kontrollierten Gebieten keine Initiative unternommen - oder über längere Zeit fortgeführt -, die nicht ihren Wünschen entsprach. Man muss daher auf der Ebene der hohen Politik der Alliierten Erklärungen für die Entscheidung suchen."

Damit unterstreicht Douglas eine in der Forschung schon seit Jahrzehnten gängige These. Er spitzt sie noch zu, indem er zeigt, dass spätestens seit dem Beginn des Kalten Krieges die westlichen Alliierten erfolgreich darum bemüht waren, ihre Rolle im Vertreibungsprozess herunterzuspielen. Doch seit dem Fall des Eisernen Vorhangs, so Douglas, lässt sich dieser lange Schatten nicht mehr verschleiern.

Zum Besonderen seiner Studie über Flucht und Vertreibung der Deutschen zählt schließlich, viertens, sein dezidierter Menschenrechtsansatz. Er zeichnet die einzelnen Etappen der Entwicklung des Völkerrechts seit dem späten 17. Jahrhundert nach und ordnet die Vertreibung der Deutschen in die Bemühungen um ein internationales Verbot von Vertreibungen ein. Das Buch geht insofern über den deutschen Fall hinaus, indem es ein leidenschaftliches Plädoyer gegen Umsiedlungen und Vertreibungen als Mittel der internationalen Politik ist.

"Wie die in diesem Buch analysierten Episoden zeigen, sind die Einwände gegen Umsiedlungen als Mittel internationaler Politik aber noch grundsätzlicher. Kurz gesagt, wenn sie nicht schnell durchgeführt werden, sind sie nicht praktikabel, und wenn sie schnell durchgeführt werden, sind sie nicht human. Selbst unter den besten denkbaren Bedingungen produzieren Massenvertreibungen ebenso starke Verwerfungen, wie wirtschaftliches Chaos und soziale Unruhen wie Kriege."

Das Buch von Douglas, der bisher mit einschlägigen Studien nicht hervorgetreten ist, liefert einen neuen, "unverkrampften" Blick auf die Geschichte von 'Flucht und Vertreibung'. Es hat die Forschung und vor allem die Öffentlichkeit, die Politik und das Völkerrecht im Blick. Und es schreit geradezu danach, doch endlich auch aus dieser Geschichte zu lernen. Aus einer tiefen Humanitas geschrieben, beendet er es daher nicht überraschend mit einem deutlichen Appell:

"Die wichtigste Lehre aus der Vertreibung der Deutschen ist also: Wenn diese Operationen sich nicht in Umständen ausführen lassen, in denen Brutalität, Ungerechtigkeit und sinnloses Leiden unvermeidlich sind, lassen sie sie gar nicht ausführen. Das klare Akzeptieren dieser Wahrheit und die Entschiedenheit, sich von ihr jederzeit und in jeder Situation leiten zu lassen, ist das angemessenste Mahnmal für dieses tragische, unnötige und - so muss man hoffen - einmalig bleibende Ereignis der jüngeren Geschichte Europas und der Welt."

R. M. Douglas: Ordnungsgemäße Überführung. Die Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg
Aus dem Englischen übersetzt von Martin Richter, C.H. Beck Verlag München 2012

Quelle:
Deutschlandradio Kultur, 15.04.2012,
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/lesart/1729136/

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